Tomás M. Santillan (Sprecher DIE LINKE. Rheinisch-Bergischer Kreis - KV)
„Ich danke dafür, dass ich hier sein darf. Ich rede hier mit ausdrücklicher Unterstützung meines Kreisverbands, jedoch in erste Linie spreche ich hier als Mensch:
„Nie wieder“ bedeutet Verantwortung übernehmen, nicht nur vor der Geschichte, sondern hier und jetzt.
Seit Jahren nehmen die antisemitischen Übergriffe zu und ich bin fassungslos, was wir alle gerade jetzt in Deutschland erleben müssen.
Der Kampf gegen Antisemitismus ist und war auch immer ein Kampf um Menschenrechte und für eine gerechte und friedliche Welt.
Lange erfolgen wir den Konflikt im Nahen Osten und müssen machtlos zusehen, wie dieser eskaliert ist. Wir leiden mit jeder Familie und weinen um jedes Kind. Wir sind nicht blind, und trotz des Krieges verlieren wir nicht unsere Menschlichkeit. Wir sehnen uns nach Frieden für die Region und in der ganzen Welt, denn alle Menschen haben einen Anspruch darauf, … überall.
Die Gewalt der Hamas erschüttert uns tief. Die Mörder und Entführer des 7. Oktober 2023 ging es darum, genau diesen Menschheitstraum nach Frieden zu zerstören. Ihnen ging es um „Töten“ und „Vernichten“. Sie missbrauchen Gott als Vorwand, um sich zu rechtfertigen. Die Hamas hatte es aber auch gerade auf diejenigen abgesehen, die sich seit Jahren um ein friedliches Zusammenleben bemüht haben und engagieren.
Doch die Täter werden ihr Ziel nicht erreichen, denn sie werden unseren Traum nicht zerstören. Wir werden nicht zurückweichen oder nachgeben! Unsere Antwort ist: Jetzt erst recht, denn mit jedem Tag, mit dem die Hamas die Geiseln in Gaza länger gefangen hält, versteckt, foltert und qualvoll tötet, halten wir stärker zusammen. Auch wenn wir aktuell weiter weg vom Frieden sind, werden wir dieses Ziel nicht aufgeben.
Trotz des großen Leids, welches die Angehörigen der Geiseln der Hamas aktuelle erfahren, strecken diese die Hand zum Frieden aus und widerstehen dem Hass. Wir verneigen uns vor deren zuversichtlichen Wunsch nach Frieden und ihrer ungebrochenen Menschlichkeit.
Unsere Solidarität mit den Opfern ist nicht einfach verordnete Staatsräson, sondern sie kommt aus unserem Herzen. Unsere Parole heißt "Keinen Fußbreit der Unmenschlichkeit und dem Hass" und das bedeutet auch, dass wir den menschenverachtenden islamistischen Mördern nicht ausweichen werden.
Wir sind keine blinden oder verblendeten Unmenschen, denn wir sehen alle Opfer. Dazu müssen wir nicht den Zeigefinger erheben oder „aber“ sagen oder etwas relativieren, vergleichen oder gegeneinander aufwiegen. Wir müssen uns auch nicht für etwas entschuldigen. Es reicht, dass wir die Augen öffnen und genau hinsehen, um die Dinge und die Wahrheit zu verstehen.
Wir sehen eine großen Solidaritätswelle mit Israel, wir spüren auch einen großen Zusammenhalt der Menschen in der Region, hier und in der ganzen Welt.
Jedoch sind wir auch fassungslos über das, was wir in den letzten Tagen in Deutschland erleben mussten. Wir sehen wie Neonazis mit radikalislamistischen Antisemiten und rechtsradikalen Verschwörungstheoretikern Bündnisse schließen. Wir sehen wie sich „Querdenker“ und rechte Esoteriker mit der Hamas solidarisieren und diese zu rechtfertigen versuchen, um Israel die Schuld zuzuweisen. Diese neue Querfront geht leider bis in aller politischen Strömungen und die demokratischen Gremien hinein.
Uns ist die Verantwortung bewußt, und wir wissen auch, daß wir gerade auch in Bergisch Gladbach ein Antisemitismus-Problem haben:
* Der Stadtrat Bergisch Gladbach hat 2018 eine Resolution gegen die antisemitische „Boycott, Divestment and Sanctions“-Kampagne (kurz BDS) abgelehnt. Der Rat begründete das damit, dass es keinen Antisemitismus in der Stadt geben würde und das eine solche Resolution nicht erforderlich sei.
* Wir erinnern uns an anti-israel Mail aus der Verwaltung, die die Bürger*innen aufhetzte und dafür warb im Westjordanland Land zu kaufen, um sie vor dem Zugriff des „Schurkenstaat Israel“ zu schützen.
* Wir erinnern uns eine städtische Auschwitz-Gedenkveranstaltung, bei der keine Opfer der Shoah oder deren Angehörigen zu Wort gekommen sind, aber lang und breit gegen den Zaun im Westjordanland gewettert wurde.
* Wir mussten erleben, wie die Stadt einen neuen Städtepartnerschaftsverein gegründet hat, um den alten Israel-Verein zu verdrängen, der es gewagt hatte das Antisemitismusproblem dieser Stadt zu benennen. Dabei wurden die Mitglieder des alte Verein als „pro-israelische Aktivisten“ bezeichnet, um sie damit zu diffamiert. Rat und Verwaltung leugnen bis heute, dass es in Bergisch Gladbach Antisemitismus gäbe. Dazu erfanden sie eine eigene Antisemitismus-Definition und ignorieren bis heute die allgemein anerkannte der IHRA. Deshalb gründete die Verwaltung einen Gegenverein mit dem erklärten Ziel, den alten Israel-Verein zu zerschlagen und den bestehenden strukturelle Antisemitismus in dieser Stadt zu vertuschen. Das glücklicherweise nicht gelungen. Der alte Verein besteht weiter.
Es geht sogar noch weiter, denn im Ältestenrat des Stadtrats wurde sogar beschlossen, sich von dem pro-israelischen alten Verein abzugrenzen und eine Zusammenarbeit aktiv auszuschließen. Dieser Beschluss ist ein Skandal, denn damit weigert sich die Stadt, mit Vereinen zusammenzuarbeiten, der sich gegen Antisemitismus ausspricht und ausdrücklich dagegen arbeitet. Das hat System bei der Stadt. Wer dazu schweigt, macht sich schuldig.
Das Ergebnis ist verheerend, denn es gelingt der Stadt und ihren Führungspersonal bis heute nicht, sich klar von der antisemitischen BDS-Kampagne zu distanzieren.
Tatsächlich sehen wir sogar genau das Gegenteil, denn die Stadt Bergisch Gladbach fördert Organisationen, die die antisemitische BDS-Kampagne unverhohlen unterstützen und über Israel Lügen verbreiten. Dabei gibt es immer wieder auch Hilfe aus der Presseabteilung des Ratshauses.
Leider könnte diese Liste noch stundenlang fortgesetzt werden! Wer mehr dazu wissen möchte, kann mich gerne ansprechen.
Vor wenigen Wochen wurde am Rathaus eine Israelfahne montiert. Doch nur wenige Tage später wurde sie von Israelhassern abgerissen und verbrannt. Das ist eines der Ergebnisse jahrelanger Abgrenzung, Distanzierung und Diffamierungen.
ich schäme mich für diese Stadt. Heute stehen wir in Bergisch Gladbach vor einem Scherbenhaufen, der den Boden für den Antisemitismus bereitet hat.
Ich bin zugleich traurig und wütend. Traurig über die vielen Opfer im Nahen Osten, traurig über den Krieg, traurig darüber, dass ein Frieden in der Region immer weniger greifbar wird.
Ich bin wütend darüber, wie auch hier manche zu Tätern werden, indem sie sich auf die Seite der Mörder stellen, Dinge verdrehen oder bewusst dazu schweigen.
Wo sind heute die Vertreter*innen des Stadtrats oder des Beit-Jala-Vereins Bergisch Gladbach und wo sind die dazugehörigen Erklärungen? Im letzten Newsletter des Beit-Jala-Vereins Ende Oktober (nach dem Massaker) finden wir kein einziges Wort des Bedauerns für die Opfer. Stattdessen lesen wir Relativierungen und müssen lesen, dass sich die Bewohner*innen des Westjordanlands von Israel bedroht fühlen. Da geht es nicht um Frieden für alle, sondern es geht um Hetze. Der Beit-Jala-Verein BGL unterstützt die antisemitische BDS-Kampagne ganz offen, wie leicht an einem Brief an den Stadtrat oder eine Petition an das Bundeskanzleramt belegt werden kann. (auch hier) Deshalb ist es auch kein Wunder, dass sie zu dieser Solidaritätskundgebung nicht erscheinen.
Ich bin empört darüber, dass unsere Stadtgesellschaft so einfach zur Tagesordnung übergegangen ist, als die Fahne Israels, die am Rathaus hing, zerstört und verbrannt wurde. Antisemitismus ist unter uns und Teil der Kommunalpolitik in dieser Stadt, und leider auch in diesem Land.
Eine neue Querfront aus unterschiedlichen politischen Strömungen kritisieren die deutsche Solidarität mit Israel und formulieren Vorwürfe einer "imperialistischen Politik". Mit dem Begriff "Terrorstaat Israel" lesen und hören wir nicht nur die gleiche Wortwahl, sondern auch die gleichen falschen Argumente und historischen Verdrehungen, die wir auch vom islamistischen Regime im Iran, der Hamas oder den Taliban vernehmen.
Es wird bewußt vermieden die Opfer vom 7. Oktober zu nennen oder das Existenzrecht von Israel anzuerkennen. In den meisten Texten werden der wachsende Antisemitismus und die Attacken in Deutschland verschwiegen und ausgeblendet.
Tatsächlich ist vieles davon knallhartes rechtsextremistisches und antisemitisches Störfeuer, so wie am Wochenende in Köln. Dort sind bekannte Rechtsextremisten gemeinsam mit salafistischen Islamisten gegen Israel aufgetreten. Woanders handelt es sich um erkennbar einseitige Aufrufe, die sich beispielsweise mit der antisemitischen BDS-Kampagne als demokratisch-neutral tarnen, aber auch das Existenzrecht und das Recht auf Selbstverteidigung Israels in Frage stellen, und sich damit klar antisemitisch positionieren.
Das stellen wir ja auch vor Ort fest, wie vorhin beschrieben, denn viele Antisemiten geben sich den Anschein von Gutmenschen, die ihren eigentlichen Hass gegen Israel als einem angeblich berechtigten kritischen Diskurs verschleiern und tarnen.
Tatsächlich sind viele davon nicht an einen Frieden in der Region interessiert. So sehen wir bei verschiedenen Aktionen die Aussage «From the River to the Sea», die ausdrücklich antisemitisch ist, denn sie bedeutet die Vertreibung und Ermordung der Bevölkerung von Israel. Frieden ist das nicht!
Das schadet einem demokratischen Deutschland nachhaltig, und genau das ist auch das Ziel dieser Querfront und der BDS-Kampagne, die im Kern Israel auslöschen wollen. Das ist die Gemeinsamkeit mit der Hamas!
Wer dagegen glaubwürdig sein will, distanziert sie sich unmissverständlich von Antisemitismus in jeder Form, in dieser Stadt und auf der ganzen Welt. Menschen mit einer humanistischen, demokratischen und emanzipatorischen Grundhaltung können sich nicht auf menschenverachtende Islamisten einlassen und müssen sich von rechten und antisemitischen Politiker*innen wie Erdogan, Meloni oder anderen Hetzer*inne klar distanzieren. Es muss dabei um einen umfassenden Frieden und nicht um Schuldzuweisungen gehen.
Trotz unseres großen Schmerzes über die vielen Opfer, bleiben unsere Herzen offen und wir stehen weiter für Frieden und Gerechtigkeit ein. Wir werden jedoch nicht vergessen! Und solange die Geiseln der Hamas nicht befreit und die Täter und Mörder nicht zur Rechenschaft gezogen wurden, werden wir auch nicht verzeihen.
Nie wieder heißt jetzt!“
Bergisch Gladbach, 21.11.2023
Auch zum Thema "Antisemitismus Bergisch Gladbach" lesen:
Andere interessante Links zum Thema "Antisemitismus in Bergisch Gladbach?"
Kommentar schreiben