Gebühren, Apps und Ungleichheit: Wem nützt die neue digitale Parkregelung in Bergisch Gladbach?

Die Recherche des GRÜNEN-Fraktionsvorsitzenden Friedrich Bacmeister zur Parkraumbewirtschaftung verdient Anerkennung, denn er hat sich tatsächlich bürgernah die Mühe gemacht, die tatsächliche Situation zu betrachten, statt nur im Hinterzimmern darüber zu streiten.

Leider fokussiert sich Herr Bacmeister in seinem Beitrag im Bürgerportal (31. Mai 2025 „Wie schwierig wird das Parken ohne Handy in der Innenstadt?„) nur auf die Stadtmitte und lässt die Parkraumsituation z. B. in Bensberg und Refrath außer Acht. Auch bleibt diese Betrachtung der Praktikabilität in wesentlichen Punkten oberflächlich, unvollständig und verschleiert wesentliche Faktoren für die Parkkund:innen. Insbesondere werden folgende Probleme nicht hinreichend adressiert:

 

  1. Systematische Mängel der beschlossenen digitalen Regelung:
    • Diskrepanz bei Öffnungs-, Betriebs- und gebührenpflichtigen Parkzeiten: Die von Herrn Bacmeister vorgeschlagenen möglichen Verkaufsstellen für Parkscheine („Pickerl“) schließen deutlich vor Ende der Gebührenpflicht (z. B. Buchmühle: Die Öffnungszeiten der Läden bis ca. 18:30 Uhr widersprechen der Parkgebührensatzung, die Zahlungspflicht bis 20 Uhr vorsieht, Das Bürgerbüro hat nur bis 17 Uhr an Werktagen und Samstags nicht geöffnet.).

    • Soziale Schieflage: Der Hinweis auf private Parkplätze und Garagen, die Bargeldzahlungen ermöglichen, verschweigt, dass diese Parkplätze zum Teil deutlich höhere Gebühren erheben. Das erzeugt eine soziale Schieflage, denn ältere und mobilitätseingeschränkte Personen werden durch diese höheren Gebühren (z. B. Marienkrankenhaus: 1 €/30 Min.) benachteiligt.

    • Digitales Gefälle: Die geforderte App-Nutzung ignoriert technische Barrieren und zusätzliche Servicegebühren. Auch diese Gebühren führen bei städtischen Parkplätzen zu einer spürbaren Preiserhöhung für die Parkkund:innen – durch die Hintertür. Jedoch führt diese Gebührenerhöhung nicht zu höheren Einnahmen bei der Stadt, sondern erhöht die Gewinne multinationaler Digitalkonzerne. Auch der Verweis auf private Parkhäuser kommt dem öffentlichen Stadthaushalt nicht zugute, sondern ausschließlich kommerziellen Interessen. Soziale oder klimafreundliche Projekte können also nicht von dieser versteckten Gebührenerhöhung beim Parken profitieren.
  2. Klimapolitische Versäumnisse: Die aktuelle Debatte vernachlässigt völlig, wie Parkraumpolitik ökologische Ziele fördern könnte:
    • Verkehrslenkung: Zu niedrige städtische Gebühren (20 Min. = 50 Cent) subventionieren klimaschädliches Kurzparkverhalten wie „Brötchenfahrten“. Diese Fahrten erfolgen mehrheitlich durch Kund:innen aus der näheren Umgebung und erzeugen damit vermeidbare CO₂-Emissionen.

    • Fehlanreize: Das „15-Minuten-Gratis-Parken“ konterkariert emissionsreduzierende Maßnahmen und begünstigt motorisierten Individualverkehr. Hier zeigt sich auch ein deutlicher Gebührenunterschied zwischen privaten, teureren Parkhäusern und dem öffentlichen Parkangebot. Parkkund:innen, die zur Nutzung privater Parkflächen gezwungen sind, können diesen Nulltarif nicht nutzen.

    • Wirtschaftliche Ineffizienz: Stadtnahe Privatparkhäuser (z. B. RheinBerg Galerie: 1,50 €/h) sind durch ihre Stundentaktung für Kurzparker deutlich teurer – dadurch werden längere, umweltschädliche Parksuchfahrten provoziert, um günstige Parkräume zu suchen.

 

Konkrete Betrachtung der Parkflächen, die Herr Bacmeister in der Innenstadt anspricht:


Aktuelle Parkgebühren in der Stadtmitte im öffentlichen Parkraum Zone 1:

  • 15 Minuten kostenfrei für Brötcheneinkauf (per Tastendruck)
  • 20 Minuten – 50 Cent
  • Geltungszeitraum: Mo.–Fr. 9–20 Uhr, Samstag 9–14 Uhr
  1. Parkplatz Buchmühle: Die Öffnungszeiten der Einzelhandelsgeschäfte zum Kauf von „Pickerln“ in der Umgebung stimmen nicht mit den Parkgebührenpflichtzeiten überein. Fast alle Läden in direkter Umgebung schließen spätestens um 18:30 Uhr (Sa. 13 Uhr), was den Pickerl-Kauf erschwert oder nur in entfernteren Läden ermöglicht. Die Gebührenpflicht endet werktags aber erst um 20 Uhr. Ups!

  2. Parkhaus Marienkrankenhaus: Die Gebühr beträgt 1 € pro 30 Minuten – das ist höher als bei städtischen Parkplätzen. Zudem gibt es keine 15-Minuten-Taste für „Brötcheneinkäufe“ und eine längere Gebührentaktung. Dadurch entfällt die kostenfreie Kurzparkoption, was kurze Erledigungen erheblich verteuert. Ups!

  3. Parkplatz Schnabelmühle: Zwar erreichbar am Bürgerbüro gelegen, aber die Öffnungszeiten (Bürgerbüro schließt werktags um 17 Uhr, Sa. geschlossen) decken sich nicht mit der Gebührenpflicht (bis 20 Uhr). Für ein „Pickerl“ müssten Kund:innen zusammen ca. 800 m hin- und zurücklaufen – womit die 15 Minuten kostenfreies Parken bereits überschritten wären. Auch die Nutzung und Kontrolle der Kurzparkoption ist unklar, da ohne Pickerl keine Kurzparker:innen-Markierung am Fahrzeug erfolgen kann. Ups!

  4. Parkhaus Bergischer Löwe und Parkpalette Buchmühlenpark (städtisch): 60 Cent pro 30 Minuten, ohne Kurzparkoption. Andere Taktung als der städtische Gebührentakt in Zone 1 und damit uneinheitlich. Tatsächlich wird der Autoverkehr hier sogar stärker subventioniert als auf anderen Parkflächen. Dies wäre der einzige städtische Parkplatz in der gesamten Stadtmitte, die die Parkkunden ohne Smartphone zumindest nicht durch höhere Kosten benachteiligt. Jedoch ist diese Tiefgarage Bergischer Löwe eindeutig nicht barrierefrei, wie auch aus der Homepage des Bergischen Löwen hervorgeht und kann nur mit Treppen erreicht werden. Die Parkpalette Buchmühlenpark hat zwar ausgewiesene Behindertenparkplätze, die aber nur über eine eingeschränkte Barrierefreiheit durch lange Auffahrt verfügen und durch die Beschrankung der Zu/ und Abfahrtfahrt nicht mehr kostenfrei nutzbar sind.

  5. Weitere Parkhäuser (die Herr Bacmeister nennt) (RheinBerg Galerie, Rhein-Berg-Passage, Löwencenter): Stundentarif: 1,50 € im Stundentakt, keine kostenlose Kurzzeitparkoption mit Brötchentaste. Also auch hier entstehen für die Kund:innen höhere Parkgebühren als auf den städtischen Parkplätzen. Auch die Tiefgarage im Löwencenter ist nicht barrierefrei nutzbar.

Zwischenfazit:

Für Kurzparkende bedeuten das Ausweichen auf private Angebote und Parkhäuser fast immer höhere Gebühren, da weder 20-Minuten-Takt noch 15 Minuten Gratisparken verfügbar sind. Dies fällt besonders ins Gewicht, da Park-Apps zwar städtische Rabatte (15 Min. frei + günstiger 20-Min.-Takt) nutzbar machen, aber meist Zusatzgebühren erheben. Insgesamt führt das für die Parkkunden zu höheren gebühren, was grundsätzlich einer modernen Verkehrsteuerung und der klimaorientierte Vekehrswende entgegenkommen würde, wenn sie dann auch der aktuellen Preissteigerung und dem Preisniveau angepasst wäre.

 Abgesehen von einer möglichen Einsparung (ca. 150.000 €) durch Wegfall der Wartung der bestehenden Parkautomaten entsteht für den städtischen Haushalt trotz höherer Parkgebühren kein finanzieller Mehrwert. Die beschlossene „Reform“ entfaltet zudem nur einen sehr geringe klimapolitisch steuernden Effekt im Sinne einer nachhaltigen Verkehrswende, da es nach wie vor bei viel zu niedrigen Parkgebühren bleiben wird. Auch können damit keine kompensierenden Maßnahmen finanziert werden.


Es bleibt das ungeklärte Thema der jetzt gültigen kostenlosen Kurzparkoption (Brötchentaste). Wie kann diese beim „Pickerl-System“ durch das Ordnungsamt rechtsicher kontrolliert werden? Könnte das dazu führen, dass diese Kurzzeitoption durch die Parkenden auf 30 Minuten ausgedehnt werden könnte, das im Kontext mit weit entfernten „Pickerl-Verkaufstellen“ Rechtsicherheit herzustellen wäre?

Konkrete klimapolitische Ergänzungen:

  1. Klimaangepasste Gebührenstruktur:
    • Einführung staffelnder Gebühren nach CO₂-Ausstoß (höhere Tarife für SUVs/Benziner, niedere Tarife für E.Mobilität (auch ohne Ladenstationen)
    • Abschaffung der „Brötchentaste“ oder pauschal höhere Kurzparkgebühren (z. B. 0,50 €/15 Min.)
  2. Mobilitätswende beschleunigen:
    • 100 % der Parkeinnahmen in Radinfrastruktur und ÖPNV-Ausbau investieren
    • City-Logistik-Konzepte: Auslieferzonen für Lieferdienste zur Reduzierung privater Einkaufsfahrten und des Parkplatzsuchverkehrs
  3. Sozial gerechte Optionen bei der Digitalisierung:
    • Analog-Option erhalten: Bargeldautomaten an neuralgischen Punkten, an denen kein „Pickerl“ in der Nähe erhältlich ist (z. B. Schnabelmühle)
    • Kostenfreie SMS-Parklösung für Smartphone-Nutzer:innen ohne App-Kenntnisse
    • Prüfung der Möglichkeit einer Ausweitung der schon vorhandenen Parkgebührenbefreiung für behindertengerechte Fahrzeuge oder mit Schwerbehindertenausweis auch für Menschen mit geringeren Handycap oder Einschränkungen. Auch sollte über weitere sogenannte „Behindertenparkplätzen“ nachgedacht, auf denen kostenfreies Parken möglich bleibt.

Lösungsansatz:
Statt halbherziger und unausgegoren Kompromisse und Schnellschuss-Konzepte braucht es ein integriertes Parkraumkonzept mit klarer Klimaausrichtung unter Einbeziehung aller Beteiligten und Betroffenen:

  • Umfassende Reform und Überarbeitung des Parkraumkonzepts und der dazugehörigen Gebührensatzung – angepasst an gestiegene Kosten (letzte Gebührenanpassung war vor 25 Jahren) und Anforderungen einer klimagerechten Verkehrswende. Mehreinnahmen können für wichtige kommunale Projekte eingesetzt werden.

  • Dialogformat mit Handel, Verbraucher:innen-, Sozial-, Verkehrs- und Umweltverbänden, Senioren- und Inklusionsbeirat zum Parkraumkonzept und Tarifstruktur.

  • Gebührenerhöhung Parken auf öffentlichen Flächen (z. B. 1,50 €/30 Min.) zur Verkehrsreduktion PKW und Senkung CO2-Ausstoss.

  • Abbau von überflüssigen Parkflächen, um Bewirtschaftungskosten zu reduzieren, Sicherheit zu erhöhen, Grünflächen auszubauen oder um bezahlbaren Wohnraum zu errichten.

  • Ersatzlose Abschaffung kostenloser Kurzzeitangebote (Brötchentaste), um alle Parkangebote – auch private – transparent, vergleichbar und wettbewerbsfähig zu gestalten

  • Einheitlicher Gebührentakt (30 / 60-Minuten-Intervalle) für alle Anbieter – auch private Parkhäuser. Das schafft mehr Kostentransparenz, Kundenfreundlichkeit und faire Gleichbehandlung. Auch reduziert sich so der Parksuchverkehr und damit verbundener CO2-Ausstoß.

  • Ausbau digitaler Bezahlmöglichkeiten (auch EC-Karten, SMS-Parken, Smartphone..) wo es geht. Bargeldzahlungsoption, dort wo es unzureichende Alternativen gibt. Umsetzung analoger „Pickerl-Konzept“, da wo es zeitlich einsetzbar bleibt.

  • „Mobilitätsfonds“ zur Querfinanzierung von ÖPNV-Tickets und Lastenrad-Sharing. Daraus könnten auch Münzautomaten an Standorten betrieben werden, an denen das „Pickerl“-System schwer umsetzbar ist (z. B. Schnabelsmühle)

  • Ausbau flächendeckender Park-and-Ride-Lösungen

  • Dauerhaften Ticketloser ÖPNV im gesamten Verbundgebiet, Einsteigsoption wären kostenlose Buslinien an allen Adventssamstagen im gesamten Stadtgebiet – analog zum kostenlosen Parkangebot an den Weihnachtswochenenden.

 

Nur durch mutige Preissignale und attraktive Alternativen wird Parkraumpolitik zum Hebel für klimagerechte Mobilität. Die jetzigen Pläne verfehlen diese Chance und perpetuieren ein autozentriertes System – trotz anderslautender Bekenntnisse. Gleichzeitig würden finanzpolitisch gerechte Lösungen möglich, die nicht nur die Kosten der Automaten decken, sondern auch die realen Kosten und Belastungen, die durch den heute hochsubventionierten Parkraum entstehen und den städtischen Haushalt belasten. Generationengerechtigkeit bedeutet auch, dass jede Generation die Kosten ihres Mobilitätsverhaltens selbst trägt – statt sie durch zu niedrige Parkgebühren und damit verbunden Folgen den nachfolgenden aufzubürden.

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